Das Programm beruht auf der Annahme, dass die kumulierte Menge (Dosis) von virenbeladenen Aerosolpartikeln entscheidend für die Entwicklung einer Infektion ist und daher das Risiko mit zunehmender Aufenthaltszeit in einem Raum mit infizierten Personen ansteigt. Der in der Abschätzung berechnete, zeitabhängige Faktor R (relatives Risiko) beschreibt, in welchem Verhältnis die mögliche Aerosolaufnahme in einer bestimmten Situation zu der Aerosolaufnahme einer Person in einem gut und ausreichend gelüfteten Innenraum (z.B. Vortragsraum/Schulraum, bezeichnet als „Referenzsituation“) steht. Virusbezogene Parameter, die weitgehend unbekannt oder sehr variabel sind (z.B. Virusabgabe einer infizierten Person, Beladung von Partikeln mit Viren, Lebensdauer der Viren), gehen nicht in die Berechnung des relativen Risikos R ein, da im Modell die Dimension dieser Faktoren sowohl in der zu prüfenden Situation als auch in der Referenzsituation als gleich angenommen werden.
Die zugrunde gelegte Referenzsituation beschreibt einen Innenraum mit einer Belegung von 25 Personen, einem Raumvolumen 200 m³ (66,7 m³ Grundfläche und 3 m Raumhöhe) und einem Zuluft¬volumenstrom von 35 m³/h je Person. Der resultierende Luftwechsel im Raum beträgt 4,375 h-1). 24 Personen sitzen und atmen, eine Person spricht (ohne Mund-Nasen-Schutz). Der Aufenthalt in diesem gut gelüfteten, mittelgroßen Raum wird als an der oberen Grenze des als „mittel“ klassifizierten Risikos definiert. Bei diesem Zuluftvolumenstrom würde sich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit eine CO2-Konzentration von etwa 1.000 ppm als Ausgleichskonzentration einstellen. Eine solche Expositionssituation kann als „akzeptabel“ bezeichnet werden, die Einschätzung obliegt allerdings medizinischen Sachverständigen je nach Durchseuchung der Bevölkerung und Vorhandensein unterschiedlicher Viren. Sie entspricht jedenfalls sowohl den Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung an Arbeitsplätze bei mechanisch belüfteten Räumen, den Vorgaben der Klasse A der Richtlinie zur Bewertung der Innenraumluft als auch den Vorgaben des österreichischen Leitfadens für den Kulturbetrieb in Pandemiezeiten des Zentrums für Public Health der Medizinischen Universität Wien.
Die zu prüfende Situation wird durch folgende Eingangsparameter beschrieben:
- Luftwechsel bzw. Zuluftvolumenstrom
- Raumvolumen
- Raumbelegung mit Erwachsenen bzw. Kinder
- Lüftungsphasen mit unterschiedlicher Lüftungseffizienz (zeitlich variabel)
- Atemaktivität (ruhend, sitzend, leichte Bewegung, schwere Anstrengung, usw.)
- Sprachaktivität (atmen, sprechen, laut sprechen/ singen)
- Regelungen zum Tragen von Masken/ Mund-Nasen-Schutz
Ergibt die Simulationsrechnung für einen Raum bei den vorgegebenen Randparametern nach einer gewissen Zeitspanne einen Risikowert von R = 1, ist für die potenzielle, kumulierte Aerosolaufnahme (akkumulierte Gesamt¬menge, Dosis) die gleiche Größenordnung anzunehmen wie bei einer Person in der Referenzsituation bei gleicher Aufenthaltszeit.
Bei Werten von R < 0,5 ist eine geringere Wahr¬scheinlichkeit, bei Werten von R > 2 ist eine stark erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine Infektion der Personen im Raum über virusbeladene Aerosolpartikel gegenüber der Referenzsituation zu erwarten – immer unter der Voraussetzung der Anwesenheit von infizierten Personen im Raum.

Bei der Anwendung des Programms ist zu berücksichtigen, dass es sich um ein stark vereinfachtes Berechnungsmodell eines relativen Risikos handelt. Die Abschätzung ist daher als eines der Hilfsmittel zur situativ-integrativen Beurteilung der Aufnahme von virenbeladenen Aerosolen zu sehen. Lokale Effekte im direkten Nahbereich eines Virenemittenten werden im Modell nicht berücksichtigt. Es wird weiters darauf hingewiesen, dass es auch bei niedrigen Werten des Faktors R nicht möglich ist, einen 100%igen Schutz vor Infektionen durch Viren (wie bspw. SARS-CoV-2) in Innenräumen zu erreichen.
Links und Publikationen:
- Beschreibung VIR-SIM 2.1 der IBO Innenraumanalytik OG
- Positionspapier zu Lüftung in Schulen des Arbeitskreises Innenraumluft im BMLUK (2024)
- CO2 als Lüftungsindikator